EU-Richtlinienvorschlag zu unfairen Geschäftspraktiken in der Lebensmittelkette

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Ein begrüßenswerter Schritt in die richtige Richtung!

AUSGANGSLAGE:
Am vergangen Donnerstag, den 12. April präsentierte die Europäische Kommission einen EU-Richtlinien-Vorschlag zur Bekämpfung unfairer bzw. unlauterer Geschäftspraktiken in der Lebensmittelversorgungskette. Beim gestrigen EU-Agrarministerrat in Luxemburg fand zu diesem Vorschlag neben der Lebensmittelverschwendung eine Aussprache der Agrarminister statt. Ausgang gefunden hat diese Maßnahme durch eine Entschließung des Europäischen Parlaments im Juni 2016. Darüber hinaus forderte der Rat die Kommission im Dezember 2016 auf, dahingehend aktiv zu werden.

Es geht der EU-Kommission darum, in allen EU-Mitgliedstaaten gemeinsame Mindeststandards festzulegen, um auf dem EU-Binnenmarkt für Chancengleichheit zwischen den Landwirten zu sorgen. Diese Mindeststandards sollen einen fairen Wettbewerb ermöglichen, der die Marktteilnehmer stärkt und ihre Existenz sichert. Landwirte sowie kleine und mittlere Unternehmen erhalten dadurch mehr Planungssicherheit und ihr Handelsrisiko soll gesenkt werden.

Im Fokus stehen vor allem der Lebensmitteleinzelhandel, aber auch Lebensmittelkonzerne. Betroffen sind Abnehmer mit mehr als 250 Mitarbeiter und 50 Mio. Euro Jahresumsatz, die nach der Definition keine kleinen und mittleren Unternehmen (KMU) mehr sind. Ziel des Vorschlags sei es, die Einkommen der Landwirte in der EU zu verbessern, da unfaire Geschäftspraktiken die Gewinnmargen der Erzeuger verkleinerten, erklärt die EU-Kommission. Sie weiß um bereits bestehende, nationale Gesetze gegen Zahlungsverzögerungen und andere Missstände.

Der Vorschlag enthält zudem Bestimmungen für eine wirksame Durchsetzung. Werden Verstöße festgestellt, können nationale Behörden Sanktionen verhängen. In Österreich soll voraussichtlich die Bundeswettbewerbsbehörde damit beauftragt werden. Hier können bereits anonyme Beschwerden eingereicht werden. Gerade Landwirte werden von dieser Richtlinien profitieren, da sie häufig eine schwache Verhandlungsposition haben.

Beispiele für unlautere Geschäftspraktiken:

• Zahlungen nach einer Frist von 30 Tagen nach Rechnungslegung oder Lieferung von verderblichen Nahrungsmitteln, ausgenommen bei Anwendung einer Wertaufteilungsklausel;

• Kurzfristige Stornierung von Lieferungen verderblicher Waren sodass der Lieferant keine wirtschaftliche Absatzalternative finden kann;

• Einseitige und rückwirkende Änderungen betreffend Häufigkeit, Zeit oder Umfang der Lieferung oder Bereitstellung, der Qualitätsstandards oder der Preise von Nahrungsmitteln durch den Käufer;

• Zahlungen des Lieferanten für Verschwendung/Verluste von Nahrungsmitteln im Wirkungsbereich des Käufers die nicht durch Nachlässigkeit oder Verschulden des Lieferanten bedingt sind.

Bedingt verbotene Praktiken, wenn sie nicht klar und unmissverständlich zum Zeitpunkt des Liefervertrages vereinbart wurden:
• Rückgabe unverkaufter Nahrungsmittel durch den Käufer an den Lieferanten;

• Vom Käufer verlangte Zahlungen des Lieferanten zur Sicherung oder Erhaltung eines Lieferübereinkommens;

• Zahlungen des Verkäufers für Absatzförderungsmaßnahmen für durch den Käufer verkaufte Nahrungsmittel. Vor einer Absatzförderungsmaßnahme sollte der Käufer Dauer, Häufigkeit und Menge des dafür vorgesehenen Nahrungsmittels spezifizieren;

• Zahlungen des Lieferanten für Marketingmaßnahmen durch den Käufer.

Historie:
Die Kommission arbeitet schon seit Beginn ihrer Amtszeit daran, die Lebensmittelversorgungskette gerechter und ausgewogener zu gestalten. Im Jahr 2016 wurde die Task Force „Agrarmärkte“ (AMTF) auf EU-Ebene eingerichtet, um die Position der Landwirte in der Lebensmittelversorgungskette im weiteren Sinne zu bewerten und Empfehlungen abzugeben, wie diese Position gestärkt werden kann. Auf der Grundlage dieser Empfehlungen führte die Kommission 2017 eine Folgenabschätzung in der Anfangsphase und eine öffentliche Konsultation zur Verbesserung der Lebensmittelversorgungskette durch, wodurch wiederum die konkreten unlauteren Handelspraktiken ermittelt werden konnten, die nun unter die Richtlinie fallen.

Eine im Februar 2018 veröffentlichte EU-weite Umfrage zeigt, dass es eine große Mehrheit der Befragten (88 %) für wichtig hält, die Rolle der Landwirte in der Lebensmittelversorgungskette zu stärken. 96 % der Teilnehmer an der 2017 durchgeführten öffentlichen Konsultation zur Modernisierung der GAP stimmten der Aussage zu, dass es eines der Ziele der Gemeinsamen Agrarpolitik der EU sein sollte, die Position der Landwirte in der Wertschöpfungskette zu stärken und hierzu unlautere Handelspraktiken zu bekämpfen.

Die Vorschläge stützen sich auf einen bestehenden freiwilligen Kodex für bewährte Verfahren in der Lieferkette, der als Supply Chain Initiative (SCI) bekannt ist. Die SCI wurde 2013 von sieben europäischen Verbänden der Lebensmittel- und Getränkeindustrie, der Markenartikelhersteller, des Einzelhandels, der kleinen und mittleren Unternehmen sowie der Agrarhändler ins Leben gerufen. Sie entstand im Rahmen des 2010 eingerichteten und von der Kommission geleiteten Hochrangigen Forums für die Verbesserung der Funktionsweise der Lebensmittelversorgungskette. Es soll dazu beitragen, die Politik im Lebensmittel- und Getränkesektor weiterzuentwickeln und die Funktionsweise der Lebensmittelversorgungskette zu verbessern.

EU-Agrarkommissar Phil Hogan: „Eine Kette ist immer nur so stark wie ihr schwächstes Glied. Damit die Lebensmittelversorgungskette effizient und wirksam ist, muss sie gerecht sein. In dem heute vorgelegten Vorschlag geht es im Grunde darum, denjenigen eine Stimme zu geben, die sonst ungehört bleiben, und denjenigen zu Gerechtigkeit zu verhelfen, die sich völlig unverschuldet in einer schwachen Verhandlungsposition befinden […] Unser Ziel ist es, den „Angstfaktor“ in der Lebensmittelversorgungskette abzubauen, indem Beschwerden vertraulich behandelt werden können.“

Bundesministerin für Nachhaltigkeit und Tourismus Elisabeth Köstinger: „Wir müssen den Kampf David gegen Goliath entschlossen weiterführen. Der Vorschlag der europäischen Kommission ist hier ein wichtiger Schritt in die richtige Richtung. Uns geht es um die Stellung unserer Bäuerinnen und Bauern in der Lebensmittelversorgungskette. Tausende Landwirte stehen nur wenigen Handelsketten in Österreich gegenüber. Es ist unsere Aufgabe der Anwalt unserer heimischen Landwirtschaft zu sein. Den ersten Schritt sind wir bereits mit der Einrichtung einer Beschwerdehotline gemeinsam mit der Bundeswettbewerbsbehörde gegangen. Wir haben im Regierungsprogramm den unlauteren Handelspraktiken bei landwirtschaftlichen Erzeugnissen den Kampf angesagt. Mit diesem Vorschlag folgt die Europäische Kommission der österreichischen Forderung nach einer EU-weiten Regelung.“

LK-Präsident Hermann Schultes: „Die Kraftverteilung in der Lebensmittelversorgungskette, vom Bauern über den Verarbeiter bis zum Handel, muss gerechter werden. Derzeit bleiben EU-weit im Schnitt nur 21% vom Wert eines Agrarproduktes beim Bauern, 28% in der Verarbeitung und 51% beim Handel. In den kommenden Verhandlungen zwischen Kommission, Parlament und Rat gilt, es noch einige Nachbesserungen, wie die Größe der von den neuen Regeln betroffenen Unternehmen, zu verankern. So sollen das Größenverhältnis Lieferanten zu Abnehmer und nicht fixe Unternehmensgrößen ausschlaggebend sein.“

Leiter der ÖVP-Delegation im Europaparlament Othmar Karas: „Dieser Vorschlag ist ein lange überfälliger Schritt hin zu mehr Marktfairness und als ordnungspolitische Notwendigkeit zu sehen. Es gehe nicht darum, die Landwirtschaft gegen den Handel auszuspielen, sondern um soziale Marktwirtschaft. Das bedeutet, dass die Schwächeren am Markt gestärkt werden, Marktkonzentration vermieden und Fairness hergestellt werden muss. Bisher können Supermärkte die Landwirte und Verarbeitungsbetriebe im Extremfall erpressen. Der Kommissionvorschlag ist überraschend positiv, realistisch und flexibel, das EU-Parlament wird aber sicher einige Änderungen vornehmen.“

UNSER STANDPUNKT:
Bauernbund-Präsident Georg Strasser: „Es ist gut, dass die EU-Kommission dieses Problem nun endlich anspricht und in konkreten Gesetzen und Regeln verankern möchte. Der Anteil der Landwirtschaft am Verkaufspreis im Supermarkt ist zweifellos zu gering. Für Bäuerinnen und Bauern liegt hier enormes Einkommenspotential innerhalb der Wertschöpfungskette. Wir wissen, dass unsere Produkte im In- und Ausland sehr beliebt sind. Diese Wertschätzung muss sich aber auch im Produktpreis als Wertschöpfung widerspiegeln. Das ist der beste Weg, um bäuerliche Existenzen abzusichern.“

WIE GEHT ES WEITER:
Die vorgeschlagenen Maßnahmen ergänzen die in den Mitgliedstaaten bestehenden Maßnahmen und den Verhaltenskodex der freiwilligen Supply Chain Initiative. Die Mitgliedstaaten können nach eigenem Ermessen weitere Maßnahmen ergreifen. Der Kommissionsvorschlag wird in Form einer EU-Richtlinie nun zusammen mit einer Folgenabschätzung den beiden gesetzgebenden Organen – dem Europäischen Parlament und dem Rat, in dem die Regierungen der Mitgliedstaaten vertreten sind – vorgelegt. Die EU-Kommission kündigte erste Schritte in diese Richtung für das 2. Halbjahr 2018 an. Der Vorschlag soll während der österreichischen Ratspräsidentschaft prioritär behandelt werden.

 

weiterführende Links:

https://ec.europa.eu/info/food-farming-fisheries/key-policies/common-agricultural-policy/market-measures/food-supply-chain

http://europa.eu/rapid/press-release_MEMO-18-2703_de.htm

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